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Studie zum Grundeinkommen

Die Ergebnisse einer empirischen Analyse der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik unter Leitung von Prof. Michael Opielka von der Fachhochschule Jena sind unter dem Titel „Grundeinkommen und Werteorientierung“ im VS Verlag erschienen. Das Buch analysiert die Werteinstellungen von mittleren und höheren Verantwortungsträgern aus Politik, Sozialer Arbeit und Wirtschaft zu einem Grundeinkommen in Deutschland.

„Es ist bemerkenswert wie strukturkonservativ die Eliteangehörigen sind“, bilanziert Prof. Michael Opielka. Die Studie, die auf einer Deutungsmusteranalyse von qualitativen Interviews mit den Führungskräften basiert, zeigt, dass allein die Zugehörigkeit zur Elite fernab der unterschiedlichen Interessen einen homogenisierenden Effekt auf die Wertestruktur der Führungskräfte hat. Diese Wertestruktur ist dominiert von dem traditionellen Prinzip „Leistung bedingt Gegenleistung“ und begründet das Misstrauen gegenüber neuen egalitären Ideen wie dem Grundeinkommen.

Die Debatte über die Idee eines Grundeinkommens

Die Idee des Grundeinkommens, die die bedingungslose Transferleistung eines Grundbetrages an jeden Bürger anstelle der jetzigen bedarfsorientierten sozialen Transferleistungen vorsieht, mobilisiert über alle politischen Lager Zustimmung. Insbesondere zivilgesellschaftliche Initiativen sind bemüht, die Debatte um das Thema weiter in die Gesellschaft zu tragen – und das in den letzten Jahren auch mit einigem Erfolg. Dennoch zeichnet sich bisher keine politische oder gesellschaftliche Mehrheit für das Thema ab. Dabei lässt sich beobachten, dass sich sowohl Unternehmerpersönlichkeiten wie Götz Werner als auch Soziologen wie Ulrich Beck positiv über das Konzept äußern. Zugleich erfährt die Idee gleichermaßen Unterstützung von liberalen Ökonomen sowie von Vertretern der Linkspartei.

Die Sozialstaatsprinzipien spielen eine besondere Rolle für die Werteorientierung

Prägend für die Wertestruktur der befragten Führungskräfte in Bezug auf ein Grundeinkommen ist eine Form von Solidarität, die sich über Leistung und Gegenleistung und eine institutionell gesteuerte bedarfsgerechte Verteilung sozialer Transferleistungen definiert. So lässt sich die so verstandene Solidarität über die unterschiedlichen Interessen der einzelnen Gruppen hinweg als ein virtuelles Bindeglied zwischen den Befragten charakterisieren. Dieser Wertehintergrund schließt die Befürwortung eines egalitären Transfersystems mit mehr individueller Verantwortung wie das Grundeinkommen aus. Er geht einher mit einer konservativen Haltung, die sich auf die sozialstaatlichen Prinzipien Solidarität und Subsidiarität und den Staat als zentrale Instanz der Regelung sozialpolitischer Fragen beruft.

Die Argumentation gegen ein Grundeinkommen unterscheidet sich nur auf interessens- und ordnungspolitischer Ebene – so beispielsweise in der Frage, wer ordnungspolitisch mehr Einfluss haben sollte: der Staat oder der Markt. Die Experten aus dem Bereich Politik und Sozialer Arbeit bauen auf die Vorstellung einer „starken Hand“ in Form des Staates auf. Die Experten aus dem Bereich Wirtschaft wiederum auf der des Marktes, der von oben steuert und die Bürger von der Verantwortung, das Gemeinwohl zu gestalten, entlastet. Innovative Ideen wie das Grundeinkommen werden vor dem Hintergrund dieser Wertestruktur auf konzeptioneller Ebene von den Führungskräften gar nicht wahrgenommen, sondern als Chiffre für die Legitimation der eigenen Werte instrumentalisiert.

Verhindert die homogene und konservative Wertestruktur soziale Innovationen?

Die Ergebnisse der Studie zeigen demnach auf Seiten der befragten Führungskräfte, die zum größten Teil das Grundeinkommen ablehnen, keine ausgeprägte Wertepluralität - und das, obwohl die Auswahl der Führungskräfte aus den unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichem politischen Hintergrund durchaus variierende Auffassungen vermuten ließen. Nach Auswertung der Interviews kann insofern die These aufgestellt werden, dass die Zugehörigkeit zur Elite einen homogenisierenden Effekt im Hinblick auf die Wertestruktur hat und die Angehörigen stärker sozialisiert als die unterschiedlichen politischen oder ökonomischen Interessen. Es lässt sich eine zweite These generieren, die, mit Verweis auf die herausgearbeitete konservative Wertestruktur der Experten, besagt, dass das Thema Grundeinkommen zu innovativ und damit auch zu risikobehaftet ist, um von einer konservativ orientierten Elite akzeptiert zu werden. Dies kann als ein Hinweis auf die Beharrlichkeit gedeutet werden, die der deutschen Gesellschaft häufig unterstellt wird und die von Seiten der Eliten vorgelebt wird.

Die Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik möchte mit dieser Studie einen Beitrag zu einer Wertediskussion und den damit verbundenen Fragen nach Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit leisten. Mit der Studie wird ein Einblick in die Deutungen wirtschaftlicher und politischer Ethik in Bezug auf die Idee eines Grundeinkommens von Meinungsmachern in Deutschland gewährt.

Michael Opielka, Matthias Müller, Tim Bendixen, Jesco Kreft: Grundeinkommen und Werteorientierungen. Eine empirische Analyse, VS Verlag, ISBN 978-3-531-16795-4