Hamburger Schüler fordern eine Regulierung der Managergehälter
Spitzensteuersatz, Vorstandshaftung, Deckelung - kein Auszug aus der aktuellen Sitzung des Bundestages. Diese Worte gebrauchten Oberstufenschüler aus Hamburg in einer Podiumsdiskussion am 01.10.2010 bei der Stiftung Wertevolle Zukunft. Ihr Thema: "Maßlosigkeit oder legitime Leistungsvergütung - werden deutsche Manager gerecht entlohnt?"
Belohnung für Nieten in Nadelstreifen?
Die Schülerinnen und Schüler der Sophie Barat Schule, der Max Brauer Schule und des Gymnasium Harksheide haben ihre Hausaufgaben gemacht. Im Projekt diskurslernen der Stiftung waren sie eine Woche lang auf der Suche nach Antworten, fanden allerdings auch eine Menge Fragen. Geladen waren Dr. Hasko v. Bassi (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Nordelbischen Kirche), Martina Dähn (Vice President Top Executive Management der Deutschen Telekom Group), Uwe Grund (Vorsitzender des DGB Hamburg) und Dr. Heiko Willems (Leiter der Abteilung Recht und Versicherung des BDI).
Hochbezahlte Manager versenken Millionen und Milliarden und werden dann mit dem "goldenen Handschlag" in den vorzeitigen, aber wohldotierten Ruhestand geschickt. Ist das Verhältnis der Jahreseinkommen von Arbeitnehmern und Spitzenmanagern noch gerecht? Uwe Grund forderte mehr Transparenz und Nachhaltigkeit. "Es ist eine Maßlosigkeit eingerissen, zehn Millionen pro Jahr verdienen zu müssen." und weiter "mir hat Herr Kopper von der Deutschen Bank einmal gesagt, er findet keinen Manager, der für 500.000 bei der HSH Nordbank arbeitet." Die Landesbank geriet durch unsolides Arbeiten ihrer Spitzenkräfte in die Schlagzeilen. Etwas pointierter dazu v. Bassi: "Den Karren in den Dreck zu fahren, geht auch deutlich preiswerter!"
Angemessenheit und Vertragsfreiheit
Die Oberstufenschüler haben Studien als Beleg dabei, kennen Zahlen und erstaunen damit die Gäste. Der durchschnittliche Arbeitnehmer verdient pro Jahr ca. 27.000 Euro - ein Top-Manager in einem Dax30-Unternehmen 2,6 Millionen. Dr. Willems hält dagegen: "Der Personenkreis, der über eine Million Euro im Jahr verdient, liegt zwischen 150 und 250." Es sind Gelder, die die Unternehmen selbst erwirtschaften. "Also müssen sie auch entscheiden können, was damit geschieht." Die Schüler hatten in einem Votum von der marktregulierenden Wirkung geschrieben. Die Anzahl der Manager ist im Vergleich zu den ausgeschriebenen Stellen geringer, was den Preis pro Manager in die Höhe treibt.
Wie die Menschen darüber denken, fasst der Theologe v. Bassi zusammen: "Geht es hier um Gerechtigkeit? Oder geht es darum, dass diese hohen Gehälter gesellschaftlich nicht mehr vermittelbar sind?" Er sieht ein hohes Maß an Regelungsbedürftigkeit, wenn die Gesellschaft hohe Lasten zu tragen hat. Vertragsfreiheit heißt aber auch, so die Schüler, die Verantwortlichen mit einer hohen Selbstbeteiligung im Versicherungsfall zu verpflichten. Wenn das eigene Tun ungestraft bleibt, brauchen wir uns über HSH und Co. nicht wundern. Uwe Grund moniert zu Recht: "Die Vorstandshaftung in Deutschland gehört zur schärfsten der Welt. Doch angewandt wird sie nie oder selten." Er weiß, wovon er spricht, ist er doch selbst als Aufsichtsrat tätig. Die Vermögenssteuer bietet nach Meinung der Schüler ein Regulativ. Anerkennen müssen aber auch sie, dass die Großverdiener schon jetzt zu den größten Steuerzahlern gehören.
Unternehmen sollen bei der Höhe der Spitzengehälter mehr Verantwortung zeigen
In den abgelieferten Voten der Schulen sind 85 Prozent der Schüler für eine Regulierung der Managergehälter. Interessanterweise ist jedoch die Mehrheit unter den Regulierungsbefürwortern für eine Regulierung durch die Selbstverpflichtung von Unternehmen, die Minderheit sprich sich für eine gesetzliche Regulierung aus. Die Schüler stört das kurzfristige Gewinndenken, denn neben den Bezügen winken den Topmanagern noch Boni für Erfolge oder auch Einsparungen. Dem könnte durch konsequentes Handeln nach dem Bonus-Malus-System ein Riegel vorgeschoben werden. In Zeiten der Misserfolge macht sich das System durch gesunkene Bezüge deutlich bemerkbar. Die Manager von morgen empfehlen, mit geringeren Gehältern anzufangen und deren Steigerung auf der Zeitachse weiter zu verschieben. Ein interessanter Ansatz, doch das Publikum reagiert sofort. "Wandert der Top-Manager ab, wenn die Gehälter in Deutschland gedeckelt werden?" so fragt ein junger Mann. Das ist berechtigt, gibt es doch auch in anderen Bereichen einen kräftigen Braindrain, zum Beispiel in der Medizinbranche. Die Schüler haben auch dafür eine Antwort. Die Autonomie in der Tätigkeit, der Zweck der Arbeit und das Gefühl, gebraucht zu werden, haben eine wesentliche Auswirkung auf die Motivation der Beschäftigten. Und das gilt auch für Top-Manager.
Podiumsgäste loben die differenzierte Argumentation der Schüler
Martina Dähn: "Alle Achtung, ich bin beeindruckt!" Sie gibt der Stimmung im gefüllten Saal Ausdruck. Damit lobt sie nicht nur den Schülermoderatoren. Auch das Publikum geht mit, klatscht "Szenenapplaus" und feiert seine Vertreter auf dem Podium. Diese Schüler haben sich sehr engagiert mit dem Thema befasst. Eine Gruppe von Schüler-Journalisten begleitete die Arbeit schriftlich und als Radioreporter. In umfangreichen Voten haben die drei Schulen ihre Erkenntnisse zusammengefasst.