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Geistiges Eigentum – eine überholte Idee in der globalisierten Wirtschaft? Produkt- und Markenpiraterie als warenethisches Problemfeld

Das Privateigentum ist in unserer Wirtschaftsordnung gewährleistet und geschützt. Wer die Eigentumsrechte anderer missachtet, muss mit Schadenersatzansprüchen und (!) Strafverfolgung rechnen. Die Bedeutung von Eigentumsrechten (Property Rights) für das Wirtschaften beschrieb schon Thomas Hobbes: Wenn andere sich der Güter durch Raub und Diebstahl bemächtigen können, ist Fleiß unwahrscheinlich, weil kein Vorteil davon zu erwarten ist. Die meisten Menschen respektieren das Eigentum anderer. Nur wenige vergreifen sich daran, selbst wenn die Gelegenheit dafür günstig ist und sie sich unbeobachtet fühlen können. Doch gilt dies für geistiges Eigentum in gleichem Maße? Oder ist die Hemmschwelle diesbezüglich niedriger? Sind die illegalen Downloads von Software und Musik nicht ein untrügliches Indiz für letzteres? Sehen die Bürger im Hersteller bzw. Anbieter von Plagiaten den Dieb bzw. Hehler? Wie bereitwillig kaufen sie – des Preises wegen – Produkt- und Markenfälschungen?

Produkt- und Markenpiraten treten als Anbieter von Waren auf den Markt. Ohne selbst in Forschung, Entwicklung und Reputation zu investieren, kopieren sie die Produkte von Konkurrenten. Sie profitieren dabei von dem „kostspielig“ aufgebauten Marken- und Herstellerimage, verhalten sich also wie Trittbrettfahrer. Zudem gefährdet die oft mangelhafte Qualität der Waren die Verbraucher (z. B. bei Medikamenten, Autoersatzteilen, Handyakkus). Von den Konsumenten wird die Markenpiraterie und Produktfälschung oft nicht als kriminelle Handlung angesehen, sondern als „Kavaliersdelikt“. Als Begründung kann man hören: „Macht die Produkte doch einfach billiger, dann kauft man sie auch Original! Wer zockt hier eigentlich wen ab?“ Oder es wird die Meinung vertreten: „Wer Plagiate kauft bringt damit zum Ausdruck, dass er die Originalprodukte nicht erwerben will!“ Deshalb sei es Unfug, wenn die Hersteller behaupteten, dadurch Verdienstausfälle in Millionenhöhe zu haben.

Viele Schülerinnen und Schüler bringen persönliche Erfahrungen zu diesem Thema mit: Im Internet oder im Urlaub sind nachgemachte Markenprodukte oft zu einem Spottpreis zu haben. Trendige Sneakers für zehn Euro oder die Rolex unter hundert Euro. Ein bisschen heiß wird einem dann bei der Ankunft am Flughafen zuhause, denn die „Schnäppchen“ können teuer werden, falls der Zoll die Fälschungen entdeckt. Dieser ethos-Baustein fördert eine warenethische Reflexion der Produkt- und Markenpiraterie. Die Schülerinnen und Schüler klären Fragen wie:

  • Worin besteht der Unterschied zwischen der legitimen Nachahmung eines Produktes und einer illegitimen Produktfälschung?
  • Für wen ist Produkt- und Markenpiraterie mit Nachteilen verbunden, für wen mit Vorteilen?
  • Wer ist in unserer Wirtschaftsordnung für die Aufdeckung von Fälschungen zuständig?

Methodisch werden verschiedene mögliche Praxispartner vorgeschlagen. In vielen Regionen empfiehlt sich ein Kontakt mit dem Zoll. 

Lehrplan-Bezug: In berufsbildenden Schulen ergeben sich zahlreiche Bezüge zu kaufmännischen Themenfeldern, allen voran die Warenkunde, das Wirtschaftsrecht und das Marketing. Der Baustein eignet sich gleichermaßen für die konsumökonomische Bildung in allgemein bildenden Schulen. Grundkonzepte werden geklärt und geprüft wie (geistiges) Eigentum und sein Zusammenhang mit Wettbewerb und Innovation. Im Unterricht kann daher das Verhalten der Produkt- und Markenpiraten sowohl mit Bezug auf die Verletzung der Institution des (geistigen) Eigentums als auch mit Bezug auf die Gefährdung der Verbraucher warenethisch reflektiert werden.


Baustein Produkt- und Markenpiraterie

Titel:
Produkt- und Markenpiraterie - Fluch der Marktwirtschaft? Schutz und Missachtung geistigen Eigentums in der globalisierten Wirtschaft

Autor:
Dirk Loerwald

Herausgeber:
Thomas Retzmann / Tilman Grammes

Buchtitel:
Warenethik in der ökonomischen und politischen Bildung. 

Ausgewählte Unterrichtsbausteine aus dem ethos-Projekt. 
Sonderdruck für die DSW - Deutsche Stiftung für Warenlehre 
Schwalbach/Ts. 2014