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Rote Karte für Markenartikler und Discounter im Einzelhandel? Und eine weiße Weste für „König Kunde“?

„Der Kunde ist König!“ – von dieser Devise sollen sich Unternehmen in der Marktwirtschaft leiten lassen. Weil dieser sich nicht zuletzt am Preis orientiert, trifft der Werbeslogan „Geiz ist geil“ den Nerv – nicht nur der Kunden mit leeren Geldbörsen. Schnäppchen auf der einen Seite machen es möglich, sich auch einmal etwas Teures zu leisten. Aus Kostengründen lassen selbst hochpreisige Markenartikler in Billiglohnländern fertigen. Dort sind die Umwelt- und Sozialstandards auf so niedrigem Niveau, dass die Hersteller hierzulande kaum konkurrieren können. Und die Discounter geben sich gezielt das Image, ihre Kunden mit preisgünstigen Waren zu versorgen. Doch um welchen Preis sind deren Schnäppchenpreise möglich? Wer zahlt die Zeche? Ist „König Kunde“ bereit, Verantwortung für die Sozial- und Umweltstandards bei der globalen Warenproduktion zu übernehmen?

Internationale Nicht-Regierungsorganisationen machen die Missstände in der globalen Zulieferkette öffentlich. Sie stellen renommierte Markenartikler an den Pranger und üben mit gezielten Kampagnen Druck aus. Die betroffenen Unternehmen fürchten um ihre Reputationund reagieren mit Ethik-Kodizes. Dieser ethos-Baustein thematisiert diese warenethische Problemstellung am Beispiel der Textil- und Bekleidungsbranche und der Clean Clothes Campaign. Er wirft Fragen auf wie:

  • Mit welcher Legitimation stellen NGOs Markenhersteller an den Pranger, selbst wenn sich deren Zulieferer an die Gesetze in den Produktionsländern halten?
  • Wie lässt sich eine bloße Imagekampagne von Marken- und Handelsunternehmen (Greenwashing) von echtem Engagement für bessere Umwelt- und Sozialstandards unterscheiden?
  • Führt der Grundsatz, Waren dort herstellen zu lassen, wo dies am günstigsten möglich ist, zu einem höheren Wohlstandsniveau für alle Menschen auf der Welt oder nur für Wenige?
  • Beraubt das Eintreten für einen besseren Schutz der Arbeiternehmer und ein höheres Lohnniveau in den Herstellungsländern ihres Standortvorteils im globalen Wettbewerb?

Der Unterricht kann mit dem selbstkritischen Blick in den Kleiderschrank beginnen, betont jedoch die kosmopolitische Bürgerperspektive. Aktuelle Falldarstellungen in unterschiedlichen Medien sollen die Öffentlichkeit und kritische Gegenöffentlichkeit herstellen. Besonders gut eignet sich dafür ein Klassenzimmer, das mit Smartboard zivilgesellschaftliche demokratische Öffentlichkeiten unmittelbar in der Lernumgebung abbilden kann. Mit (optionaler) Expertenbefragung oder Podiumsdiskussion können die Schülerinnen und Schüler sich selbst in den Bürgerdialog einmischen.

Lehrplanbezug: Die Möglichkeiten und Grenzen der politischen und ökonomischen Teilhabe können ebenso diskutiert werden wie die ethischen Anforderungen an die globale Rahmenordnung des Wirtschaftens und die bestehenden Defizite. In der Berufsausbildung im Einzelhandel sind wirtschafts- und warenethische Bezüge innerhalb der Lernfelder sogar durch den Rahmenlehrplan gefordert.

Transfer: Wie können globale warenethische Standards etabliert werden, wenn für die einzelnen Nationalstaaten Anreize bestehen, diese zu unterbieten? Der hier drohende „race to the bottom“ ist exemplarisch und ermöglicht einen Transfer des Gelernten auf ähnlich gelagerte Problemstellungen, z. B. die Besteuerung von Unternehmensgewinnen oder Standards für den Finanzsektor.


Baustein Anti-Corporate-Campaigns

Titel:
Die Kampagne für "Saubere" Kleidung - ein legitimer und wirksamer Ansatz zur Verbesserung von Sozialstandards in der Textilproduktion? Öffentlicher Druck auf Unternehmen durch zivilgesellschaftliche Kampagnen

Autor:
Christian Meyer-Heidemann

Herausgeber:
Thomas Retzmann / Tilman Grammes

Buchtitel:
Warenethik in der ökonomischen und politischen Bildung. 

Ausgewählte Unterrichtsbausteine aus dem ethos-Projekt. 
Sonderdruck für die DSW - Deutsche Stiftung für Warenlehre 
Schwalbach/Ts. 2014